Parallel zu den weltlichen Auseinandersetzungen der einzelnen Herrscher im Mittelalter in unserem Lande, zwischen Ost und West, Nord und S�d, betrieb die christliche Kirche emsig die Missionarisierung durch den Bau der Kirchen und die Bekehrung der Bewohner zum Christentum. Dabei hat es die katholische Kirche geschickt verstanden, das Gildewesen zu beeinflussen und umzuwandeln. Neben dem Wirken der verschiedenen M�nchs- und Nonnenkl�ster entstanden an allen kirchlichen St�tten in Stadt und Land geistliche Br�derschaften verschiedener Art sowie Kalande als Zusammenschlu� von geistlichen und vornehmen Laien.
Zwei will Westphalen schon sehr fr�h datieren: im ehemaligen Bischofssltz Oldenburg 1190 die geistliche Kalandsgemeinschaft des heiligen Antonius und Laurentius sowie 1192 die der heiligen Katharina.
Hingegen sind die vielen anderen Kalande und geistlichen Br�derschaften, meist mit der Kennzeichnung Gilde erst im 14. und 15. Jahrhundert fr�hestens bezeugt. Wohl das �lteste Auftreten der Bezeichnung Gilde findet sich in der Gr�ndungsurkunde vom 22. Januar 1344 des Hospitals zum Heiligen Geist in Neustadt: dieser vom Rat und der B�rgerschaft (nicht der Kirche) errichteten Herberge vor der Stadt wurden als Eink�nfte neben einer Geldrente (M�hlenh�user) Kornabgaben �bereignet, die von Ackerbauern j�hrlich mit f�nf Dr�mt Winterweizen und elf Dr�mt Hafer unter der Bezeichnung Gildehure (Gildeh�uer) eingesammelt und abgef�hrt wurden, was offensichtlich auf die fr�he Existenz einer Gilde hinweist.
Um welche Art einer Gilde es sich hierbei gehandelt hat, ist nicht ersichtlich. Vielleicht war es eine Elendengilde, eine Form der Br�derschaften, wie sie sich nach 1300 an vielen Orten in der N�he von Wallfahrtsorten gebildet hat zur Unterst�tzung von Fremden (Elend ist die alte Bezeichnung f�r Fremde). Nachdem 1344 mit der Anlage des Hospitals zum Heiligen Geist vor dem Br�cktor dem fremden Pilger eine Herberge erstellt wurde, mag die Existenz einer besonderen Elendengilde t�r Neustadt hinf�llig geworden sein. Aus den benachbarten Orten gibt es noch in sp�terer Zeit Beweise f�r das Vorhandensein von Elendengilden, so in Gr�mitz (1440), Oldenburg (1443 u.1444), Petersdorf auf Fehmarn (1443 und sogar noch 1587).
�hnlich wie im Karolingerreich waren auch unter den Stauferkaisern Gilden der weltlichen Obrigkeit und den Geistlichen wegen ihres eigenwilligen Charakters unwillkommen. Kaiser Friedrich II. unterst�tzte zwar die wirtschaftliche F�rderung der St�dte, nicht aber ihre Selbst�ndigkeitsbestrebungen. Den B�rgern wurden gewisse Rechte und Freiheiten zuerkannt, " aber zu Gilden zusammenschlie�en durften sie sich nicht."
Auf dem Hoftag zu Worms 1231 wurde K�nig Heinrich VII. gezwungen, alle st�dtischen Amtsinhaber abzusetzen, die ihre T�tigkeit ohne Genehmigung der Bisch�fe oder Erzbisch�fe aufgenommen hatten; alle Br�derschaften, Z�nfte und Gilden, die hier und da gebildet waren, wurden verboten. Solche Verbote waren auf Dauer nicht durchzusetzen, zumal mit dem Aufbl�hen der St�dte das B�rgertum zur besseren Selbstverwaltung gelangte. Es war aber leichter, unter der sch�tzenden Hand der Kirche nach den Gepflogenheiten der damaligen Zeit sich in Br�derschaften zusammenzufinden zu gemeinsamen T�tigkeiten in der Hilfeleistung und zur Geselligkeit.
Die uns �berlieferte Anzahl solcher Br�derschaften ist gro�, und vielf�ltig sind auch ihre Namen, meist nach katholischen Heiligen gew�hlt. Man errichtete Alt�re mit Vikarien, stiftete Wachslichter daf�r, traf sich zu Gebeten und hielt Seelenmessen ab. "Nicht mehr das Gef�hl der germanischen Br�derlichkeit ist die Triebfeder, sondern die Sorge f�r das Heil der Seele, alles geschah aus Furcht vor dem Fegefeuer."
Zum festen Bestand der Br�derschaften geh�rte stets ein Abhalten von Festlichkeiten, das sogenannte Gelage, meist verbunden mit der Rechnungslegung f�r das Jahr. Mit der Reformation endete das betont kirchliche Wirken der Br�derschaften, man wendete sich mehr weltlichen Aufgaben zu, die man nun in Brand-, Toten- und Sch�tzengilden verst�rkt aus�bte, ohne da� dabei die Geselligkeit, das alte Gelage (Trinken und Essen bei Zusammenk�nften), zu kurz kam. Auch in Neustadt gab es einen Kaland als eine geistige Br�derschaft zum Zwecke gemeinsamer Gottesdienste, gegenseitiger Hilfeleistung in Not und Tod sowie der Pflege geselligen Frohsinns. Ihm geh�rten au�er Geistlichen auch andere angesehene B�rger an.
An der Spitze desselben standen ein Dekan und vier �lteste. Der Kaland hatte ein eigenes Versammlungshaus, das auf dem heutigen Grundst�ck Br�ckstra�e Nr. 30 stand. Das Haus ist nach teilweisem Abri� 1799 auf den alten Grundmauern (15 mal 16 Meter Fl�che) neu erbaut.
1441 stiftete der Kaland eine St. Antonius-Vikarie an der Stadtkirche. Die Urkunde dar�ber hat sich erhalten. Die Dotierung des angestellten Vikars erfolgte aus Rentenzahlungen ausgeliehener Gelder, die in verschiedenen Grundst�cken in der Stadt und der Feldmark abgesichert waren. Der Vikar hatte w�chentlich wenigstens vier Messen zu lesen, besonders f�r die Verstorbenen und die Patrone des Kalandes. 1498 und noch 1506 war Johann Pregell Vikar "tho deme altare sancti Anthonij de� Kalandes leen".
Auch die Kosten der gemeinsamen Gottesdienste, Armen- und Krankenpflege, Begr�bnisfeiern, Prozessionen und Gastm�hler wurden aus den Kalandsrenten bestritten, welche von Neust�dter Grundbesitzern zahlbar waren und sp�ter mit einem Betrag von 32 Mark 10 1/2 Schilling unter dem alten Namen in die Besoldung des Hauptpastors �bergingen. Die grundbuchliche Eintragung dieser Kalandsrenten bestand bis in unser jetziges Jahrhundert hinein.
Im Silberschatz der Sch�tzengilde befindet sich als einer der drei �ltesten Becher der sogenannte Kalandsbecher. Diesen hat vermutlich der Kaland gestiftet, als 1498 das neu erbaute Rathaus eingeweiht wurde. Dem benachbarten L�becker Clemenskaland, der sich nach der Reformation als mildt�tige Stiftung f�r Arme bet�tigte, geh�rten �brigens in der Umgebung Neustadts bis 1807 die D�rfer Merkendorf, Bliesdorf, Klein-Schlamm und Marxdorf. Martin Luther hat seinerzeit Gilden, Kalande und Br�derschaften wie folgt kritisiert:
"... die Bruderschaft sollt auch ein sonderliche Versammlung sein guter Werk, aber so ist es geworden: ein Geldsammeln zum Bier. Was soll unserer lieben Frauen, Sankt Annen, Sankt Sebastian oder anderer Heiliger Namen bei deiner Br�derschaft tun, da nicht mehr denn Fressen, Saufen, unn�tz Geld, vertun, Pl�rren, Schreiben, Schw�tzen, Tanzend und Zeitverlieren ist."
Auch prangerte Luther die mangelnde christliche N�chstenliebe an, die einstmals als oberste Pflicht in ihren "Versicherungen" zutage trat:"Es ist.. eine b�se Gewohnheit..., da� die meinen, ihre Bruderschaft solle niemanden zugute komme denn allein ihnen selbst... denn darinnen lernen sie sich selbst suchen, sich selbst lieben, sich allein mit Treue meinen, der anderen nicht achten, sich etwas besseres d�nken."
Luther forderte zum Schlu�, da� dieselben (guten Werke) f�r andere herausspringen: nicht ihren Nutz und Lohn suchen, auch niemanden ausschlagen, sondern wie freie Diener der ganzen Gemeinde der Christenheit zu dienen.
Mit dem Entstehen und Wachsen der St�dte Mittelalter war das Auftreten der einzelnen Handwerksarten einhergegangen sowie deren berufsst�ndische Gruppierungen, die ihre Auspr�gung in sogenannten Handwerks�mtern fanden. In den Statuten, den sogenannten Amtsrollen, wurde schriftlich festgelegt, was vom einzelnen Handwerker (Meister, Geselle, Lehrling) an Pflichtleistungen verlangt wurde, wie Vergehen geahndet werden sollten, in welcher Weise Versammlung und Feste durchgef�hrt wurden, selbstverst�ndlich nach den Gebr�uchen der jeweiligen Zeitepoche mit Anlehnung an kirchliche Gewohnheiten. Die Amtsrollen erforderten eine Best�tigung durch den st�dtischen Rat.
�hnlich wie bei den Gilden lag die F�hrung der Amtsgesch�fte in den H�nden von �lterleuten, die nach demokratischen Regeln gew�hlt wurden. Der Inhalt der Amtsrollen und der Gildestatuten �hnelt sich in manchen Punkten. Handwerks�mter sind berufsbezogen, Gilden sachbezogen. Die Begriffe werden hin und wieder nicht ausreichend auseinandergehalten, andererseits gab es in der Praxis auch flie�ende �berg�nge zwischen Amt/Bruderschaft/Gilde.
In S�ddeutschland war f�r die handwerkliche Vereinigung das Wort ZUnft gebr�uchlicher; dem entspricht der heutige gel�ufigere Name Innung (von Einigung).
“In Hansen, Gilden und Z�nften sowie in den Eidgenossenschaften treiben sie (die Gilden) aus uralten Wurzeln neue zeitgem��e Sch��linge mit immer neuen Zweckbestimmungen. Als ein Zweig an diesem Uralten Stamm sind auch die seit dem 14. und 15.Jahrhundert aufbl�henden Sch�tzengilden zu betrachten.”