Über das Gildewesen gibt es umfangreiche Literatur, aus der die Vielfalt ersichtlich wird, in der sich unter dieser Bezeichnung im Laufe von Jahrhunderten menschliches Zusammenleben vollzogen hat. Da die Quellen der Überlieferung aber spärlich sind und wohl auch bleiben werden, ist jede Beschreibung älterer Verhältnisse lückenhaft. In früheren Zeiten wurde vieles mündlich überliefert, nur wenige waren des Schreibens kundig. Das, was sich an schriftlichen Belegen bis heute erhalten hat, verdanken wir wohl auch mehr dem Zufall.
Die Darstellung einer kontinuierlichen Entwicklung der Gilden ist bei der Verschiedenheit örtlicher und zeitlicher Gegebenheiten ohnehin nicht zu erwarten. Wie bei einem Stammbaum hat sich aus einer gemeinsamen Wurzel das Gildewesen entwickelt und zeigt sich bis heute hin in seinen verschiedenen Ästen und Zweigen.
Das Wort Gilde wird wie Geld, gelten u.ä. aus dem germanischen Wortschatz von gield, gildi u.ä. abgeleitet in Bedeutungen wie Opfer, Zahlung, Steuer; auch als Bruderschaft, mit den gemeinsamen Opfergelagen der Heidenzeit.
Das Wort gild bedeutet ursprünglich soviel wie Vergeltung, Buße, Opfer, dann auch Trinkgelage. Offenbar kommt hierin die Tatsache zum Ausdruck, daß die Gilde die erste soziale Einrichtung der Germanen war, welche den Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit anwendetet.
Gilde ist jedenfalls aus gelten abzuleiten, aber wohl nicht nach der Beisteuer. die der einzelne zahlte, bekannt, sondern nach dem gemeinsamen Opfergelag, welches zu den in der heidnischen Zeit zurück reichenden Institutionen gehörte.
erklärte wie folgt:
"Die mittelalterliche germanische Gilde ist eine echte germanische Genossenschaft, die im Gegensatz zu den natürlich gewordenen Genossenschaften (Familie, Markgenossenschaften usw.) künstlich ins Dasein gerufen worden ist, d.h. durch den freien Willensentschluß beliebiger Personen, wobei nicht ein natürliches Band, sondern ein Eid oder eine anderweitige geeignete moralische oder rechtliche Verpflichtung die Mitglieder zu einer umfassenden brüderlichen Lebensgemeinschaft verbindet."
Nach Wilda sind Gilden "freie Einigungen mit einer auf historischer Grundlage beruhenden gesellig-religiösen Gesellschaftsverfassung, Einigungen, die ihre Mitglieder zu gegenseitiger Hilfe und Beistand verpflichten."
Zusammenfassend:
Eine Gilde ist vom Ursprung her ein freiwilliger Zusammenschluß von Personen zum Schutze und zur gegenseitigen Hilfeleistung bei eintretendem Unheil (wie Krankheit, Tod, Unwetter, Feuersnot u.a.) sowie ebenfalls zur Pflege des geselligen Beisammenseins. Es gilt, Entgelt zu leisten, um ggf. eine Gegenleistung zu erlangen. In allen Gilden gilt seit jeher bis heute hin als Gebot das ständige Bestreben, in der Gemeinschaft bei Geltung festgelegter Grundsätze geordnet zusammenzuleben. Auch hier gilt der Grundsatz einer Genossenschaft:
Das Wort Gilde beinhaltet aber noch mehr. Sehr richtig schrieb Ludwig Maaß 1910: "Noch heute wird das Wort Gilde in vielen Gegenden HoIsteins neben der Bezeichnung des Vereins als solchen für das jährliche Fest desselben gebraucht und dient entsprechend noch häufig als Zeitbestimmung."
Das trifft noch heute zu, wenn es etwa heißt: wir haben Gilde!
"Über die Entstehung der Gilden haben sich viele Autoren geäußert", schreibt Helmer und widerspricht Wilda, der im Gildewesen eine christliche Verbrüderung erblickt und gemeint hat: "Der christliche Gedanke der selbstlosen Nächstenliebe hat sich in den Gilden eine Organisation geschaffen, um wirksam zu werden."
Helmer sagt: "Der Gedanke der freien Einigung ist wenigstens im Norden älter als christliche Missionstätigkeit. Auch das innere Wesen der Unterstützung der germanischen Genossenschaften und Gilden zeigt, daß es sich höchstens in späterer Zeit durch christliche Gedanken bereichert hat."...
Es ist verständlich, daß bei Einführung des Christentums im germanischen Bereich die heidnischen Gebräuche der Gilden bei der Kirche und der mit ihr zusammenwirkenden Obrigkeit keinen Gefallen fanden. Die von Karl dem Großen bekehrten Sachsen mußten den sogenannten Diabologilden (Teufelsvereinigungen) abschwören.
Karl der Große verbot in einem Capitular von 779 den Gildeeid, durch den sich die Gildebrüder zu gegenseitigem Beistand verpflichteten.
Im 16.Kapitel dieses Capitulars heißt es: "Über die Eide, durch welche die Gildebrüder sich gegenseitig verpflichten, daß niemand herausnehme, die zu leisten. Andererseits, selbst wenn sie in der Tat über ihre Almosen — entweder bei Feuersbrünsten oder bei Schiffbruch — ein Übereinkommen treffen, daß niemand sich herausnehme, für diesen Zweck zu schwören."
Im niederfränkischen Bereich zwischen Seine und Rhein hatten sich die Kaufleute im 10. Jahrhundert zu Gilden zusammengeschlossen, von dort verbreitete sich diese Vereinigung dann über den deutschen Raum aus. Die älteren Kaufmannsgilden nahmen anfänglich auch selbständige Handwerker auf. Diese Gilden, die stark von germanischen Gedankengut durchsetzt waren, verpflichteten ihre Mitglieder zur Kultgemeinschaft, gegenseitiger Hilfe und Treu. Gildegelage und Gildegerichte waren ihre äußeren Kennzeichen.
Gleichwertige Gildesatzungen sind aus dem rechtsrheinischen Deutschland zwar erst aus dem 13.Jahrhundert erhalten, aber Nachrichten über Kaufmannsgilden aus dem Rheinland liegen schon aus dem 10.Jahrhundert vor.
Diese Kaufmannsgilden umfaßten alle im Handel beteiligten Einwohner der Wik, der Kaufmannssiedlung; auf ihren Handelsreisen jedoch schlossen sich die Kaufleute zu Fahrtgenossenschaften, den Hansen, zusammen. Solche Gilden bestanden wahrscheinlich in allen wichtigen Fernhandelsplätzen des 10. und 11. Jahrhunderts. Sie hatten die Form von Schutzgilden, die, weniger auf das Gewerbe ausgerichtet, aus einem freiwilligen Zusammenschluß gegen drohende Gefahren hervorgingen...
Erst im 12. Jahrhundert wandelten sich die Kaufmannsgilden von Schutz- zu Monopolgilden, die die Kaufleute zum Beitritt zwangen, wenn sie ihren Handelsgeschäften nachgehen wollten.
Mit der Anlage Schleswigs um 1060 am Nordufer der Schlei, gegenüber von Haithabu, läßt sich eine solche Gilde auch dort nachweisen. Gegenüber den gleichzeitigen niederrheinischen Kaufmannsgilden weist die Schleswiger aber als Schwurgilde recht altertümliche Züge auf. Sie verpflichtet ihre Mitglieder nicht nur zur Unterstützung bei Not und Krankheit, den Schutzfunktionen jener Gilden, sondern auch zur Blutrache und Eideshilfe.
Die Schleswiger Kaufmannsgilde, die sich nach der Heiligsprechung des Herzogs Knut Laward 1170 St.Knudsgilde nannte, stand in enger Beziehung zu den übrigen Knudsgilden, die am Ende des 12.Jahrhunderts in vielen dänischen Städten gegründet wurden. Die Flensburger St. Knudsgilde war um 1200 wesentlich an der Stadtgründung und -werdung beteiligt. Nach der Reformation verloren die Knudsgilden an Bedeutung.
Zum Teil 2 des Gildewesens